Heute gedenken wir der Erzählung vom Zöllner und vom Pharisäer. Wenn man nun versucht den tiefen Sinn der Antwort Christi darauf, wie diese beiden Menschen sich im Tempel verhielten, was sie von sich hielten und von den anderen Menschen dachten, zu ergründen, dann kommen einem die Worte des Alten Testaments in den Sinn: Mein Kind! … Gib mir dein Herz, alles andere gehört Mir sowieso.
Das ist die Antwort, die Christus dem Wesen nach sowohl dem Pharisäer als auch dem Zöllner gibt. Dieser kam mit einem von Scham zerknirschtem Herz, denn es gelang ihm nicht, so zu leben, wie man ihm es gelehrt hatte. Er konnte nicht so leben, dass er sich dafür achten konnte, ganz zu schweigen davon, die Achtung der anderen zu erringen. Noch weniger gelang es ihm, vor Gott zu treten mit dem Gefühl der eigenen Würdigkeit.
Der Pharisäer hingegen, trat selbstsicher in den Tempel, denn er fühlte, dass er ein Recht dazu hatte, dort hineinzugehen. Er erfüllte alle Gebote, er war seines Gottes würdig, er hatte es sogar verdient, von Gott geachtet zu werden.
Diese beiden Menschen standen nun vor Gott und Christus nahm sie beide an. Er verstieß den Pharisäer nicht, Er war nur eher traurig über ihn. Er war traurig über diesen Menschen, denn er hatte nicht begriffen, dass der eigentliche Sinn des Lebens, des persönlichen Lebens, des Lebens der Kirche, das Leben unter den Menschen, darin besteht, dass die Menschen einander lieben. Doch dafür muss man sein Herz zuerst Gott schenken, denn in seinem menschliche Herz kann niemand die Kraft finden, auch die zu lieben, die einen kränken, die einem fremd sind, von denen man sich abwenden will. Doch wenn man sein Herz in Gottes Hände gibt, wenn man es offen hält für Gott, damit in ihm die Liebe Gottes leben kann, dann vermag man einander anzunehmen, seinen Nächsten so zu akzeptieren, wie er ist, sowohl den Pharisäer, also auch den Zöllner.
Auch wir betreten die Kirche. Wir können uns nicht rühmen, dass wir alle Gebote der Kirche einhalten, dass wir vor Gott treten könnten, um Ihm zu sagen: „Ich trete vor Dich und bin Deiner würdig“. Wir können vielmehr vor Ihn treten und sagen: „Herr, ich weiß, wie ich eigentlich sein sollte, doch dazu bin ich nicht fähig. Vergib mir! Nimm mich an! Ob ich nun faste oder nicht, ob ich nun Almosen gebe. All dies ist nichts im Vergleich mit dem, was ich eigentlich tun sollte, d.h. Dir mein Herz zu schenken, damit Du es mit Liebe füllen kannst, damit sich diese Liebe in warmen, vollen Strömen auf die Menschen um mich ergießt.“ … Wir können nicht einmal vor Gott treten, wie der Zöllner. Denn dieser wagte es nicht, den Tempel zu betreten, denn der Tempel war für ihn ein Raum, der ganz Gott gehörte. Es gab für ihn, wie ihm schien, dort keinen Platz. Doch wir? Wie betreten wir die Kirche? Bleiben wir etwa an der Schwelle stehen, um zum Herrn zu sagen: „Herr, erlaub mir, diesen heiligen Raum zu betreten, der aus der ganzen Welt dazu auserwählt wurde, damit Du in ihm wohnst“? Wir gehen in unsere Kirche, gehen zum Kerzenstand. Zögern wir wenigstens eine Sekunde ein, um zum Herrn zu sagen: „Herr. Ja, ich weiß, dass es hier für mich keinen Platz gibt, doch ich weiß, dass Du mich annimmst mit all deiner alles übersteigenden Liebe“?
Lasst uns deshalb in die Kirche treten mit diesem Gefühl. Lasst uns unser Herz in Gottes Hände geben, damit Er dieses Herz erfüllen möge. Lasst uns unser Leben für einander hingeben, damit Christus sagen kann: Ja, ich habe nicht umsonst gelebt. Ich bin nicht umsonst gestorben. Die Menschen haben begriffen, was mein Vermächtnis bedeutet: „Liebet einander, so wie Ich euch geliebt habe!“
Amen