20. Dezember 1969
Es ist für mich eine große Freude in eurer Kirche zu beten. Viele Male schon haben wir gemeinsam miteinander gebetet. Trotzdem ist es für mich nicht ausreichend. Immer hat es mir viel geistige Freude bereitet. Möge der Herr euch für eure Gebete segnen!
Jeder Sonntag ist wie ein kleines Ostern. Jedes Mal, wenn wir uns am Samstagabend oder für die sonntägliche Liturgie in der Kirche versammeln, feiern wir die Auferstehung Christi. Das Wort Auferstehung selbst bedeutet Leben und den Triumpf und den Sieg des Herrn über das Böse und über die Sünde, über den Hass und über den Tod. Deshalb leben wir Woche für Woche von und für diesen heiligen Tag des Sieges und der Auferstehung des Herrn.
Wir begreifen dabei aber nicht immer, wie die Apostel diesen Tag erlebt haben und was er deshalb für uns bedeuten könnte. Schaut, was uns die heutige Evangeliumslesung berichtet. Der Herr ist am Kreuz gestorben. Die Jünger, niedergeschlagen und erschrocken, haben sich aus Angst in alle Winde zerstreut. Am frühen Morgen sind einige Frauen ans Grab gekommen, um den Leib Jesu Christi zu salben und all die Rituale zu Seinem Begräbnis zu vollziehen, die sie am Sabbat nicht erledigen konnten, denn es war nach jüdischem Gesetz verboten, irgendetwas zu tun. Und siehe, als sie zum Grab kamen, welches mit einem schweren Stein verschlossen worden war, von dem sie dachten, ihn nicht zur Seite räumen zu können, fanden sie das Grab geöffnet und leer. Sie eilten voller Angst und Trauer mit dieser Nachricht zu den Jüngern. Man hatte also ihren Herrn nicht nur getötet, man hatte nun auch noch Seinen Leib gestohlen. Man hatte ihnen also auch noch die Möglichkeit genommen, Ihren Herrn mit all ihrer Liebe und Zärtlichkeit zu beerdigen, wie sie es so gerne getan hätten.
Zwei von den Jüngern eilen ebenfalls zum Grab. Zwei völlig verschiedene Charaktere. Es eilt Johannes, der Jüngling, den der Herr als Mensch besonders geliebt hatte. Er rennt wie es ein Junge tut, der plötzlich gehört hat, dass man dem, den er besonders liebt, ein Leid antut. Es eilt zum Grab auch ein anderer Jünger: Petrus.
Erinnert ihr euch, was in jener Nacht geschah, als Christus verraten worden war? Während der Fußwaschung, als der Herr seinen Jüngern erzählte, dass man Ihn verraten wird und dass Ihn alle verlassen werden, antwortete Petrus seinem Herrn: Wenn auch alle Dich allein lassen, ich bin bereit mit Dir in den Tod zu gehen.Chritsus antwortete ihm daraufhin voller Trauer: In den Tod willst du mit Mir gehen? Noch ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du Mich dreimal verleugnen. ... Und Petrus wollte Ihm nicht glauben. Er hoffte vielmehr auf seine Stärke und seine Kraft und ging zusammen mit Christus in den Garten Gethsemane. Der Heiland nahm drei Jünger mit sich, damit sie Ihm in den Stunden der grauenvollen Erwartung Seines Todes beistünden. Doch alle diese drei Jünger schliefen ein. Auch Petrus schlief ein, traurig, frierend und verwirrt. Dreimal trat Chritus zu Seinen Jüngern, dreimal bat Er um ihre menschliche Anteilnahme, doch Er konnte sie nicht finden. Die Jünger schliefen.
Als Christus verraten worden war, liefen alle auseinander. Zwei folgten Ihm in den Hof des Kaifas. Sie gaben sich jedoch nicht als Seine Jünger aus. Johannes war in diesem Haus bekannt. Deshalb liess man ihn ein. So konnte er darum bitten, dass man auch Petrus Einlass gewähren möge. Als man Christus schlug, folterte und demütigte, stand Petrus im Hof und wärmte sich am Feuer. Dort wurde er gefragt, ob er nicht zu Christus gehöre. Doch er antwortete: Ich kenne diesen Menschen nicht. Der Hahn krähte, Petrus schaute in Richtung des Fensters und sah dort, wie auch Christus ihn von ferne anschaute. ...
Weiter die Verurteilung Christi zum Tod am Kreuz. Was konnte Petrus, nachdem der Herr gestorben war, anderes empfinden als Verzweiflung? Wir alle wissen doch, wie es uns ergeht, wenn ein uns nahe stehender Mensch, mit dem wir ständig im Streit lagen oder für den wir einfach nichts empfinden konnten, stirbt. Was geht in uns vor, wenn wir begreifen, dass wir einen Menschen allein haben sterben lassen, ohne jegliche Hilfe, ohne Unterstützung, einfach nur einsam sterben lassen? Petrus befand sich in einer solchen Lage: Christus war gestorben und es war deshalb nun zu spät, um Ihn um Verzeihung zu bitten. Es gab keine Hoffnung mehr, dass auch er von Christus die gleichen Worte hören wird, die Dieser zuvor unzählige Male zu Sündern gesagt hatte: Es sei dir vergeben, Deine Sünden werden dir erlassen. ... Und plötzlich nun die Nachricht, dass der Leib Christi nicht mehr im Grabe ist. Vielleicht hat man ihn gestohlen, aber vielleicht hatte Er auch die Wahrheit gesagt, dass Er am dritten Tage aufersteht? Dann besteht also noch Hoffnung, dass Er verzeiht, dass wir Ihn wiedersehen, dass die Last dieses schrecklichen Verrats von ihm genommen werden kann. Das ist der Grund, warum auch er zum Grabe eilt. Das ist der Grund, warum Johannes voll ehrfürchtiger Ergriffenheit vor dem Grabe innehält, Petrus aber nicht aufhalten kann, bevor dieser sich nicht überzeugt hat, dass der Herr lebt, dass er also weiterhin voller Leben auf Ihn hoffen kann. Und Christus ist in der Tat auferstanden. Er ist auferstanden für Petrus, um ihm zu vergeben. Er ist auferstanden für Johannes und für alle, die in jener furchtbaren Nacht schliefen, die davongelaufen waren, die sich versteckt hatten, die verzweifelt und niedergeschlagen waren und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten mehr haben.
Darin bestand die Freude der ersten Jünger. Als Christus auferstanden war, kehrte nicht nur die Hoffnung zu ihnen zurück, nicht nur ihr Leben in der Zeit, sondern es eröffnete sich ihnen auch das ewige Leben wie ein Sieg, wie ein Freude, wie ein Triumpf. Der Hass war besiegt durch die Liebe. Der Tod war zertreten durch den Tod. Genau mit dieser Kunde gingen die Jünger in die ganze Welt, ohne sich vor Qualen und Folter zu fürchen. Sie hatte keine Angst mehr vor dem Tod am Kreuz, vor den Kerkern und vor der Einsamkeit. Sie waren wie eine kleine Herde Schafe unter Wölfen. Doch sie gingen in die Welt ohne Waffen und ohne etwas bei sich zu haben. Sie hatte nur die eine Nachricht, die von der Liebe. Sie hatte nichts anderes in ihren Herzen als nur Liebe: Liebe zu Gott und zu den Menschen, die sie bereit waren zu lieben, auch wenn sie dafür sterben sollten.
Dies ist das Vermächnis, welches uns hinterlassen worden ist. Christus ist auferstanden und Er spricht zu uns mit den gleichen Worten, wie damals zu Seinen Jüngern: So wie Mich der Vater gesandt hat, so sende auch Ich euch ... Möge der Herr uns die Auferstehung Christi so erleben lassen, dass in uns das Leben wie ein jubelnder Sieg triumpfiert, dass auch wir voller Licht und Wärme und Liebe durch unser Leben gehen mögen, sodass nicht ein einziger Mensch an unserer Seite mehr in der Finsternis verbleiben muss und ohne Trost und Freude davongeht. Denn so bringen wir allen das Licht der Auferstehung Christi dar und die Leute um uns herum werden dann gemeinsam mit uns singen: Da wir die Auferstehung gesehen haben –so wie wir es gerade gesungen haben.
Amen