1979
Vor ungefähr zweitausend Jahren, in genau so einer Nacht wie heute, ist die Göttliche Liebe in die Welt gekommen. Sie erschien in Gestalt eines neugeborenen Kindes, zart und schutzlos, so, wie die Liebe wirklich ist. Sie gibt sich hin, sie schont sich nie, gibt alles und ist immer voller Hoffnung.
Einer von den unter uns besonders spirituell lebenden Menschen, zu dem viele zur Beichte gehen, Vater Sofronij, schreibt in seinen Offenbarungen von Gott: „Gott ist die Liebe. Gott ist das Licht. In Ihm ist kein Dunkel. Wie schwer fällt es jedoch den Menschen daran zu glauben.“ Ja, es fällt uns schwer, weil unser persönliches Leben und ebenso das Leben der Welt, die uns umgibt, uns eher ein umgekehrtes Bild zeigen. Wo ist also in Wirklichkeit dieses Licht der Liebe des Vaters, wenn wir uns doch alle – wenn wir uns dem Lebensende nähern - zusammen mit Hiob voller Bitternis im Herzen sagen können: Meine besten Gedanken, alles Kostbares in meinem Herzen, ist verschwunden. Meine Tage sind vergangen und es ist dunkel geworden in meinem Inneren. Wo ist nach all den Jahren meine Hoffnung geblieben und all das, was mein Herz in der Jugendzeit heimlich, aber inbrünstig gesucht hat? Ist alles vergangen, ohne das eine Spur von dem geblieben ist? Wer wird sie sehen? Ja, die Seele dürstet danach, endlich auf Gott zu treffen, um Ihm zu sagen: Warum hast Du mir dieses Leben gegeben? Es ist voller Leiden und Dunkelheit umgibt mich. Warum versteckst Du Dich vor mir? Ich weiss, dass Du gut bist, doch warum sind Dir meine Leiden so gleichgültig? Ich kann Dich nicht begreifen.
Ertönt nicht etwa ein solcher Schrei überall auf unserer Erde in den Seelen der Menschen? Die Erde ist kalt und verwaist. Sie ist voller Angst, Bitterkeit und Schmerzen. Was wird Gott auf unsere Frage und auf unseren Kummer engegnen? Eine mögliche Antwort, die der Herr gegeben hat, beschreibt Vater Sofronij in seinem Buch über den Starzen Siluan. „Es lebte auf der Welt ein Mensch, der starken Geistes war. Er hatte lange gebetet, ohne sich jedoch von seinen Tränen beruhigen zu können: Herr erbarme dich meiner - betete er unaufhörlich. Doch der Herr schenkte ihm kein Gehör. Es verbrachte viele Monate mit dem gleichen Gebet und seine Seelenkräfte waren aufgebraucht. Er war der Verzweiflung nahe und schrie auf: ´Man kann Dich nicht um Erbarmen bitten. Du erbarmst Dich nicht´. Als sich aber mit diesen Worten in seiner von der Verzweiflung kraftlos gewordenen Seele noch etwas regte, sah er für einen kurzen Augenblick Christus lebendig vor sich. Ein Feuer erfüllte sein Herz und seinen gesamten Körper mit einer solchen Kraft, dass er, wenn diese Vision einen Augenblick länger gedauert hätte, wohl gestorben wäre. Von da ab konnte er niemals mehr diesen unausprechlich sanftmütigen Blick Christi vergessen, der so voller Liebe war, so voller Freude und von einem so unbegreiflichen Frieden erfüllt war. All die folgenden langen Jahre seines Lebens bezeugte er von da an ohne Unterlass, dass Gott die Liebe ist, eine Liebe, die kein Maß kennt und unbegreiflich ist.
Diese Liebe ist kein Gefühl, sie bedeutet nicht einfach nur, dass Gott uns gut gesinnt ist. Sie ist Gott selbst und sie ist in die Welt gekommen im Leib des neu geborenen Christus. Er hat die Welt aus Liebe geschaffen. Er hat sie geschaffen, um mit ihr jenes freudige und triumpfierende Leben zu teilen, welches die Liebe ist und welches bis zu einer solchen Inbrunst und Fülle geht, dass sie schon keine Grenzen mehr kennt und sich in keiner Weise vermindern lässt. Sie gibt sich hin, und vergisst dabei alles, ausser den Geliebten, sie gibt und ist dabei so schutzlos und zerbrechlich wie dieses Kind, dass in Bethlehem geboren wurde. So tritt uns der Herr engegen mit der Hoffnung, dass wir Ihm etwas erwidern!
Doch was können wir Ihm erwidern? Die Geschichte im Evangelium erzählt uns von den Waisen aus dem Morgenland. Sie sind mit ihren Gaben gekommen. Du wir? Wohin können wir gehen und woher kommen? Sie kamen von weit her, von dem Ort, an dem Christus nicht war. Wir können heute zu Christus eilen, zu dem Auferstanden, Der alles besiegt hat und überall ist, aus der Nacht und aus dem Dunkel unserer eigenen Seele. In wie vielen von uns ist es dunkel und in wie vielen wird es bald Nacht sein? Von dieser Finsernis lasst uns zum Licht eilen. Das Licht ist die Liebe. Aus der Finsternis der Bosheit lasst uns zur Liebe fliehen! Aus der Dunkelheit der Sünde lasst uns zur Liebe hasten, die der Seele Wärme schenkt und alles im Leben verändern kann. Dem tristen und grauen Alltag lasst uns durch die Liebe entkommen, denn da, wo die Liebe ist, ist auch Licht und Freude, dort gibt es nicht mehr wichtig oder unwichtig. Alles wird bedeutend sein, denn alles kann zu einem Zeichen der Liebe werden.
Der Herr ruft uns, dass wir an ihn glauben sollen! Erinnert euch an die Gaben der Weisen. Sie hatten ihm Gold gebracht. Im dunklen Dunkel der Erde ist das Gold in seiner glänzenden Pracht, mit seinem wunderbaren Klang und mit seiner Reinheit, die kein Rost antasten kann, versteckt. In jedem von uns steckt dieses Gold, diese Schönheit, die zum Licht strebt. In jedem von uns gibt es in unserer Seele diesen unangetasteten Teil, wo sie noch ganz rein ist und zu all dem Großen fähig ist, wenn man ihr nur die Freiheit geben würde, damit sie ohne Angst und mit all ihrer Kraft lieben kann. Das Gold, von dem hier die Rede ist, ist unsere verklärte Erde. Lasst uns deshalb das Dunkel in unserem Innern, wo das Licht in seinem Schein versteckt ist, aufreißen und zum Licht eilen!
Die Weisen brachten Ihm Weihrauch, welcher sich erhebt und duftet. Lasst auch uns Ihm Liebe bringen, die nicht nur wie das Licht dank ihrer unberührten Reinheit strahlt und durch ihre Herrlichkeit glänzt, sondern eine Liebe, die sich wie der Duft auf der ganzen Welt ausbreitet, durch Zärtlichkeit und Wärme.
Doch auch Myrrhe brachten Ihm die Weisen, so wie man es einem Toten bringt. Christus, der unsterbliche Gott, wurde nicht dazu geboren, um so zu leben wie wir, sondern um durch unseren Tod zu gehen, damit wir in Seine unsterbliche, jubelnd freudige Ewigkeit eingehen können.
Wer Mir nachfolgen will, der möge von sich absehen, der möge es lernen sich zu vergessen um nur einzig daran zu denken, dass Tausende um ihn herum nach Liebe dürsten. Niemand hat mehr Liebe, als der, der sein Leben hingibt. Sein Leben hinzugeben bedeutet nicht unbedingt zu sterben, sondern vielmehr jeden Augenblick des Lebens der Liebe zu widmen. Eine Liebe, die voller Ideen ist, die sieht, wo sie gebraucht wird, die klug ist und mutig. Eine Liebe, die gibt und nicht das Ihre in Schutz nimmt, eine Liebe, die sich nicht schont und sich nicht in sich verschliesst. Die Kraft Gottes wirkt in unserer Schwachheit. Wir brauchen deshalb keine Angst zu haben zu lieben. Lasst uns alles bis zum Ende hingeben. Dann wird die Nachricht von dem heute Neugeborenen Christus Wirklichkeit, nicht nur in unserem Leben, sondern auch im Leben von Millionen anderer Menschen, durch Licht, Wärme, Freude und durch die Erneuerung des gesamten Lebens.
Amen